
THG-Quotenhandel – unnötiger Hype oder wichtiges Thema für Stadtwerke?
Hintergrund des THG-Quotenhandels
Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) sind einige Unternehmen – in der Regel Mineralölkonzerne – verpflichtet, den Treibhausgas-Ausstoß der durch sie in den Verkehr gebrachten Treibstoffe zu reduzieren. Die Reduzierung kann zum Beispiel durch die Beimischung von Biokraftstoffen zu herkömmlichen Kraftstoffen („Super E10“) erfolgen, aber auch durch die Abgabe von Ladestrom an Fahrzeuge. Dabei ist es möglich, auch solchen Ladestrom zu berücksichtigen, den ein anderes Unternehmen (z. B. ein Stadtwerk) in den Verkehr bringt. Der Verkauf der entsprechenden Rechte aus den eingesparten Treibhausgasmengen wird als THG-Quotenhandel bezeichnet.
Ein bekanntes Thema in neuem Gewand
Zunächst ist der THG-Quotenhandel für die meisten Stadtwerke nicht unbekannt, weil er in kleinem Umfang in der Vergangenheit bereits für Gastankstellen genutzt wurde. Ladestrom hingegen fand aus verschiedenen Gründen bisher kaum Berücksichtigung. Häufig war die eigene Ladeinfrastruktur noch zu gering ausgebaut und wurde in Ermangelung von E-Fahrzeugen auf den Straßen zu wenig genutzt. Bei privaten E-Fahrzeugbesitzern wäre zudem ein komplexer Prozess mit Nachweis, dass der Kunde ein Stromkunde des Stadtwerks ist und ein E-Fahrzeug besitzt notwendig gewesen. Die bisher zu erwartenden Einnahmen konnten die dadurch entstehenden Prozesskosten in der Regel nicht rechtfertigen.
Gesetzesänderung macht Vermarktung attraktiv
Zum 01.01.2022 treten nun einige Änderungen in Kraft, die die Umsetzung des Themas erleichtern und attraktiver machen. Zum einen wird die Anrechnungsmöglichkeit von Ladestrom zukünftig verdreifacht und damit deutlich verbessert, zum anderen werden die Strafzahlungen für nicht erreichte THG-Minderungsquoten erhöht. Da die THG-Einsparziele durchaus als sportlich gesehen werden, verbessert sich die Situation für Quotenverkäufer. Daneben hilft der starke Ausbau der Ladeinfrastruktur und die gestiegenen Zulassungszahlen reiner E-Fahrzeuge, die abgegebenen Mengen an Ladestrom zu steigern. Insgesamt gibt es also einige Änderungen auf der Einnahmeseite, die eine Neubewertung des Themas lohnend erscheinen lassen.
Der Wettbewerb schläft nicht und sichert sich die Daten attraktiver Kunden
Die Änderungen haben auch Wettbewerber auf den Plan gerufen. Seit einigen Wochen tauchen verstärkt Internetseiten auf, die Besitzern von E-Fahrzeugen versprechen, Beträge von teilweise über 240 Euro pro Jahr für das Hochladen des Fahrzeugscheins und die Abtretung der Rechte aus dem THG-Quotenhandel auszuzahlen. Auch wenn es bei der Zielgruppe noch eine Diskussion um ein mögliches „Greenwashing“ gibt, so ist doch davon auszugehen, dass die Höhe der Beträge ausreichend attraktiv ist, um viele Kunden zur Abtretung der THG-Quoten zu überzeugen.
Stadtwerken entgeht damit zunächst zwar nur die Möglichkeit, die THG-Quoten zur Subventionierung von Ladestromtarifen zu nutzen und ob dies vom Kunden aufgrund des Wettbewerbs akzeptiert würde, ist ohnehin fraglich. Viel schwerer wiegt jedoch, dass Wettbewerber sich hierüber wertvolle Kundendaten sichern können.
E-Fahrzeugbesitzer verfügen tendenziell über ein überdurchschnittliches Einkommen und einen hohen Stromverbrauch – beides Punkte, die sie zu sehr attraktiven Kunden für jeden anderen Energieversorger machen.
Der Umsetzungsaufwand ist begrenzt
Die Prozesse zur Zertifizierung der THG-Quoten beim Umweltbundesamt, zur Vermarktung an Mineralölkonzernen und zur Anerkennung beim Zoll sind über die Beschäftigung mit Gastankstellen teilweise in den Stadtwerken bereits etabliert. Daneben gibt es am Markt eine Vielzahl unterschiedlicher Partner, die einerseits durch Mengeneffekte bessere Vermarktungserlöse erzielen sollten und andererseits bei der technischen Umsetzung – insbesondere bei der automatisierten Dokumentation von Kraftfahrzeugscheinen von Gewerbe- und Privatkunden – unterstützen können. Im Trianel Digital Lab läuft ein Pilotprojekt, in dem wir die Umsetzung bei mehreren Stadtwerken begleiten. Dabei haben wir uns Lösungen verschiedener Dienstleister angesehen, Möglichkeiten für die unkomplizierte Weitergabe an den Kunden erarbeitet und starten nun in die praktische Realisierung mit ausgewählten Stadtwerken.
Fazit
THG-Quotenhandel verspricht lohnende Einnahmen, die mit den richtigen Partnern niedrigschwellig zu erzielen sind. Die Änderungen der Gesetzeslage zum 01.01.2022 machen eine kurzfristige Beschäftigung mit dem Thema notwendig, auch wenn viele Stadtwerke durch die Gesetzesänderungen der letzten Monate und die aktuellen Herausforderungen an den Energiemärkten zurzeit stark ausgelastet sind.
Im Trianel Digital Lab sind wir mit verschiedenen innovativen Partnern dabei, die beteiligten Stadtwerke beim Start in das Thema zu unterstützen.

Dr. Philipp Stephan
implementiert als Leiter des Digital Lab zusammen mit seinem Team digitale Pilotprojekte in Stadtwerken und fördert den Erfahrungsaustausch untereinander. Vor seiner Tätigkeit bei Trianel leitete der promovierte Diplom-Informatiker Digitalisierungs- und Reorganisationsprojekte für RWE und innogy Consulting.