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Flexibilität in Erzeugung und Verbrauch: der natürliche Partner der erneuerbaren Energien
Stromerzeugung , Flexibilitätsmanagement , Umwelt- und Klimaschutz 19.04.2023

Flexibilität in Erzeugung und Verbrauch: der natürliche Partner der erneuerbaren Energien

Autorenbeitrag von Sven Becker, veröffentlicht in Handelsblatt Live am 05.04.2023

Artikel im Handelsblatt-Blog lesen

Die Transformation und Dekarbonisierung des Energiesystems ist im vollen Gange. Mit dem Osterpaket und den Beschlüssen auf den jüngsten PV- und Wind-Gipfeln hat die Ampelregierung die Rahmenbedingungen für den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien gesetzt.

Die Branche wartet nun auf die Eckpunkte aus dem Prozess der „Plattform klimaneutrales Stromsystem“ sowie auf die Kraftwerksstrategie 2026, die auf die Dekarbonisierung des Kraftwerksparks abzielen. Ein enormes Investitionsprogramm wird damit in Gang gesetzt.

Systemischer Ansatz für ein Strommarktdesign erforderlich

Aber: Gemeinsam mit dem massiven Ausbau der Erneuerbaren und dem kontinuierlichen Ausstieg aus den fossilen Energien muss das Gesamtsystem neu gedacht und flexibilisiert werden, damit Systemstabilität und Versorgungssicherheit weiterhin gewährleistet werden. Hierfür ist ein systemischer Ansatz notwendig, der zum einen der gesicherten Leistung, aber zum anderen auch Flexibilitäten einen Wert zumisst.

Die Herausforderung ist gigantisch: Die bisherige Erneuerbaren-Leistung von 120 GW soll über die nächsten acht Jahre verdreifacht werden. In den Sommermonaten werden dann weit mehr als 200 GW eingespeist, wenn sich aber nur eine Last von rund 60 GW zeigt. Im Winter hingegen wird einer Last von perspektivisch circa 90-100 GW in den Zeiten der Dunkelflaute nur eine Einspeisung von vielleicht 5-10 GW gegenüberstehen.

In dem zukünftig von volatiler Einspeisung geprägten System ist also die Synchronisation von Erzeugung und Verbrauch essenziell. Entscheidend für dieses Gleichgewicht in einem klimaneutralen Energiesystem ist die Bereitstellung – und damit Verfügbarkeit – von Flexibilität.

Flexibilität als Gamechanger

Diese Flexibilität kann in verschiedenen Formen sowohl kurz- wie langfristig zu Verfügung gestellt werden:

  • als steuerbare Lasten oder Demand Side Management in der Industrie, bei Elektroautos oder Wärmepumpen
  • in Form von (grünem) Wasserstoff zur Flautenüberbrückung und damit als Beitrag zur Versorgungssicherheit, zusätzlich zu dem Nutzen (Dekarbonisierung) z.B. in der Chemie- oder Stahlproduktion
  • als Pumpspeicher, wobei der Ausbau in Deutschland nur begrenzt möglich ist
  • in Form von Batteriespeichern, die zwischenzeitlich technisch ausgereift und skalierbar sind
  • als Wärmespeicher, sofern die Wärmeführung im Fokus steht

All diesen Flexibilitätsoptionen ist gemeinsam, dass sie mit hohen Anfangsinvestitionen verbunden sind, aber faktisch kaum Grenzkosten im Betrieb aufweisen. Das aktuelle Marktdesign basierend auf der Merit Order bildet aber keinen Preis, der die Anfangsinvestitionen refinanziert, da die Grenzkosten der Produktion nahezu Null sind. Obwohl die System- als auch die Preisstabilität am Strommarkt vom Ausbau der Flexibilitäten profitieren, kommen die Investitionen nicht zustande. Hier ist ein Marktmechanismus erforderlich, der die benötigten Investitionssignale aussendet.

Trianel FlexIndex gibt Flexibilitäten einen Wert

Trianel hat mit dem FlexIndex eine Berechnungsgrundlage entwickelt, um Investitionen in Flexibilitätsprojekte marktlich bewerten zu können. Der FlexIndex gibt dem Thema Flexibilität endlich eine Kenngröße, der die Entwicklung der Volatilität der Strommärkte spiegelt. Der quartalsweise erhobene Index visualisiert die Marktentwicklung und zeigt eventuelle Knappheit auf. Ein Investor erhält einen Anhaltspunkt, welchen Ertrag er aus seiner Flexibilitätsquelle erwarten kann und inwieweit sich eine Investition lohnt.

Entwicklung des Trianel FlexIndex 2017–Q4/2022

Gegenüber dem Basisjahr 2017 ist der Trianel FlexIndex von 100 Punkten bereits auf 712 Punkte im 4. Quartal 2022 gestiegen. Das zeigt eindringlich, wie Flexibilität rasant an Wert gewinnt und der Ausbau von Flexibilitätsoptionen wie Großspeichertechnologien oder auch Demand-Side-Management-Lösungen an Dynamik gewinnen muss, um die wegfallenden Kapazitäten aus der konventionellen Erzeugung zu kompensieren.

Investitionen in zukunftsgerichtete Flexibilitätsprojekte müssen heute getroffen werden, damit wir aus der Kohleverstromung aussteigen können und auch in Zukunft Systemstabilität und Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Der dafür erforderliche Marktmechanismus, der gesicherter Leistung endlich einen Preis gibt, muss daher Teil der aktuellen Debatte um das neue Strommarktdesign werden.

Stadtwerke sind gut beraten, sich rund um den Markt der Flexibilitäten frühzeitig zu positionieren. Dies erfordert den Aufbau von Know-how. Mit dem im Jahr 2020 gegründeten Trianel FlexStore hat Trianel ein Netzwerk entwickelt, in dem das notwendige Wissen aufgebaut und gemeinsam die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle vorangetrieben wird. Das Thema ist angesichts des beschleunigten Ausbaus der Erneuerbaren aktueller denn je. Für Stadtwerke gilt es nun, das aufkommende Geschäftsfeld als „Flexibilitätsmanager“ zu erschließen.

Sven Becker, Sprecher der Geschäftsführung der Trianel GmbH

Autor: Sven Becker

Sven Becker ist Sprecher der Geschäftsführung der Trianel GmbH seit 2005. Seitdem ist Trianel zum größten kommunalen Projektentwickler und Handelsunternehmen avanciert. Neben unterschiedlichen Organfunktionen in den Tochter- und Beteiligungsgesellschaften der Trianel-Gruppe ist er in verschiedenen energiewirtschaftlichen und energiepolitischen Funktionen tätig, so u.a. als Vorsitzender der Landesorganisation des BDEW NRW, als Mitglied des Beirats des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln sowie als Gastdozent in den Bereichen „Energiehandel & Risikomanagement“ sowie „Energiepolitik“. Vor seiner Tätigkeit bei Trianel sammelte er über 12 Jahre umfangreiche Erfahrung bei internationalen Energiekonzernen wie Ruhrgas, BP, Enron und Statkraft. Herr Becker studierte Volkswirtschaft in Kiel und Dublin und hält einen MBA von der University of Chicago.

 

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