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Eine Nachtschicht im Energiehandel auf dem 24/7-Desk
Handel , Digitalisierung , Analyse und Prognose 07.02.2022

Eine Nachtschicht im Energiehandel auf dem 24/7-Desk

Der Trading Floor von Trianel in Aachen ist an 365 Tagen im Jahr besetzt. Was machen die Händler des Short Term Desk in der Nacht? Eine Reportage. Über eine Nachtschicht mit Marc Kowalski.

Energiehandel auf dem Trianel Trading Floor

21:45 Uhr: Jacke ausziehen, Rechner hochfahren, am System anmelden, Kaffee holen. Marc Kowalski ist Senior Trader des short term desk bei Trianel und er weiß jetzt bereits: Eine lange und turbulente Nachtschicht liegt vor ihm. Seit Wochen spielen die Märkte verrückt. Ein Blick auf die zahlreichen Bildschirme seines Kollegen von der Spätschicht hat dem Händlerprofi genügt.

22:00 Uhr: Kowalskis Nachtschicht beginnt. Er macht mit seinem Kollegen das Übergabegespräch, rund 30 Minuten sind dafür eingeplant. Schnell saugt der Händler alle Infos auf, macht sich ein paar Notizen über die anstehenden Aufgaben, die Positionen und festgelegten Limits, trennt das Wichtige vom Unwichtigen und ist schon mittendrin im Geschehen. Er hat erkannt, wo die Risiken und Chancen in seiner Schicht liegen werden.

Die Trader Andreas Warner und Marc Kowalski im Kurzfristhandel
Die Kurzfrist-Händler Andreas Warner (li) und Marc Kowalski (re) im Übergabegespräch von der Spät- zur Nachtschicht

22:45 Uhr: Kowalski sitzt hochkonzentriert vor seinen sechs Bildschirmen und behält Zahlenkolonnen, Börsenpreise, Wetterdaten und Fahrpläne im Blick. Man hört das schnelle Klicken der Maus, ab und an durch das geöffnete Fenster ein Auto. Ansonsten Stille. Er genieße auch manchmal die Abwechslung und die Stille der Nachtschicht, sagt er. Die Stille macht ihm nichts aus.

22:50 Uhr: Das Telefon klingelt, ein Kunde. Er will für eine feste Lieferzeit eine bestimmte Menge Strom kaufen, ein Kraftwerk ist ausgefallen. Kowalski schaut sich den Markt an. „Es fehlt Wind, so dass nun alle kaufen müssen. Das führt zu hohen Preisen. Ein teurer Tag, um Strom zu kaufen“, sagt er. Aber er hat keine Alternative. Kowalski nennt dem Kunden einen Preis, den dieser bestätigt. Dann beschafft er die Mengen schnell, um kein Preisänderungsrisiko einzugehen, und bestätigt dem Kunden den Kauf – die Ausfallreserve ist eine Dienstleistung von Trianel.

Kurzfristiger Marktzugang für Stadtwerke

23:20 Uhr: Wieder klingelt das Telefon. Ein Gaskraftwerk geht in den Redispatch und soll vermarktet werden. Große Mengen Erdgas müssen beschafft werden, für drei Stunden. Es wird schlagartig hektisch, denn die Preise ziehen gerade wieder kräftig an. „So eine starke Preisentwicklung habe ich noch nicht erlebt“, berichtet der Händler. „Ich muss sehen, was geht.“ Seine Augen fliegen über die Bildschirme, seine Finger über die Tastatur. Nur 20 Minuten bleiben ihm. Der Markt ist fast leer, die Verkäufer haben sich zurückgezogen. Der Tradingprofi behält die Ruhe und den Überblick. Geschafft! Er hat sehr viele kleine Einzeldeals abgeschlossen, aber der Preis passt. Angesichts dieser Aufgaben wird deutlich, welch große Verantwortung die Händler haben.

01:00 Uhr: Langeweile kommt in der Nachtschicht nicht auf: Die Aufgaben eines Short-Term-Händlers sind vielfältig. Als er anfing, gab es noch keine Autotrader, es wurde fast ausschließlich Wind gehandelt und es wurden Kraftwerksoptimierungen in kleinerem Umfang sowie die Fahrplannominierung für Strom erledigt. Heute sei das viel komplexer, sagt er. Day-Ahead-Auktionen abwickeln, Nominierungen zur Ein- und Ausspeicherung im Gasspeicher ermitteln, Fahrpläne für Kraftwerke erstellen und versenden, den Betrieb der Wind- und PV-Anlagen regeln, Prognosen prüfen, Gastransportkapazitäten beschaffen. Dies erledigt der Händler routiniert, geschult im Umgang mit Zahlen und Daten.  

Kurzfristiger Strom- und Gashandel

Verändert haben sich auch die Prozesse. „Heute ist der gesamte Handelsprozess bei Trianel weitgehend automatisiert. Ich muss also fast nichts mehr manuell verbuchen, wie das früher noch notwendig war. So kann ich mich mehr auf den Markt konzentrieren. Das geht auch gar nicht mehr anders, denn der Markt ist viel schneller geworden.“

2:55 Uhr: Der zweite Kaffee muss her. Zwei Tassen reichen meist, im Ausnahmefall muss allerdings auch mal ein Red Bull herhalten.

03:10 Uhr: Kowalski prüft die Autotrader, die bei Trianel zum Einsatz kommen. Inzwischen basiere der Handel auf Logiken. Das Analyse-Team habe Algo Trader mit dem Ziel entwickelt, besser als der Markt zu handeln, berichtet er. „Besser als der Markt zu sein, das ist immer unsere Devise. Nur so gelingt es uns, die Energieportfolios unserer Kunden ertragreich zu bewirtschaften und Bilanzkreisrisiken zu vermeiden.“

5:00 Uhr: Es kommt Bewegung in den Trading Floor – die Putzmannschaft rückt an. Für Kowalski das Signal, dass es Zeit für das Frühstück ist. Er holt seine Brotdose und einen Smoothie hervor. Danach bereitet er die Übergabe an die Tagschicht vor, rekapituliert, was war. „Der gestrige Tag muss sauber sein und wir schauen, ob Fehler gemacht wurden.“

6:00 Uhr: Die Frühschicht kommt und wieder findet das Übergabegespräch statt. Marc Kowalski ist noch etwas aufgewühlt. Er läuft ein wenig über den Trading Floor, braucht Bewegung, um die Anspannung der letzten Stunden loszuwerden. Noch schnell den Schreibtisch aufräumen, alles desinfizieren, die persönliche Tastatur wegräumen. Er freut sich auf seine acht Monate alte Tochter. Ab in den Feierabend.

Der Trader Marc Kowalski auf dem Short Term Desk

Marc Kowalski ist seit 2016 bei Trianel. Er ist am Short Term Desk tätig. Dort werden Energiehandelsgeschäfte getätigt, die in der Regel spätestens am nächsten Tag abgewickelt werden müssen. Der Senior Trader absolvierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann ein Studium der Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt „Energy and Finance“.

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