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Strategien für Stadtwerke
Flexibilitätsmanagement , Umwelt- und Klimaschutz , Trendscouting 13.07.2023

Strategien für Stadtwerke

Ein Autorenbeitrag von Paul Jüngst, Leiter Trendscouting bei der Trianel GmbH, in der stadt+werk Ausgabe 7/8 2023 am 13.07.2023

Das Erreichen der bis 2045 gesetzten Klimaziele betrifft Stadtwerke in allen Bereichen. In den kommenden Jahren stehen deshalb große Investitionen an. Dabei geraten die Versorgungsunternehmen in einen Zielkonflikt zwischen den ökologischen und ökonomischen Vorgaben sowie ihrer sozialen Sorgfaltspflicht im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge.

Seit Jahren investieren sie bereits in den Ausbau der erneuerbaren Energien, legen Ökostromtarife auf, investieren in die Lade-Infrastrukturen ihrer Versorgungsgebiete und bauen ihre Fuhrparks um. Wegen der zunehmenden Elektrifizierung der Sektoren gilt es außerdem, Netze auszubauen und Gasinfrastrukturen in die Zukunft zu führen oder rückzubauen. Mit dem Klimaschutz steigen die Anforderungen stetig. Gleichzeitig müssen Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit aufrechterhalten werden.

Die strategische Auseinandersetzung mit der Transformation des Stadtwerkegeschäfts in Richtung Klimaneutralität hat stark zugenommen. Das beobachtet die Stadtwerke-Kooperation Trianel im Trendscouting für die zurückliegenden zwei Jahre. Allein in dieser Zeit hat sie mit rund 80 Stadtwerken Gespräche zu konkreten Projekten geführt. In allen von Trianel analysierten Vorhaben zeigt sich, dass die größten Herausforderungen im Umbau der Wärmeversorgung liegen und hier die größten Investitionsentscheidungen zu treffen sind. Sie macht rund 68 Prozent der Emissionen eines Stadtwerks aus. Zum Vergleich: Im Bereich Mobilität liegen die Emissionen bei etwa einem Prozent.

CO2-Emissionen von Städten und Stadtwerken

Die kommunale Wärmeplanung ist auch ein Beispiel dafür, wie eng die Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Stadtwerken in Zukunft sein muss. Die Energiekrise, die Diskussion um die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes und mögliche EU-Vorschriften im Bereich Sanierung haben das Thema ins Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger gerückt. Städte suchen nach Möglichkeiten, ihnen Perspektiven und Planungssicherheit bei der Wahl ihrer Heizsysteme zu geben und neue Wohnquartiere nachhaltig zu planen. Stadtwerke sind hier der natürliche Ansprechpartner. Denn sie suchen selbst Planungssicherheit für sehr langfristige Investitionen in ihre Infrastrukturen und den wirtschaftlichen Erhalt bereits getätigter Investitionen. Stadtwerke sind es, die durch Investitionen in Wärmenetze und die Transformation ihres Gasgeschäfts maßgeblich zur Lösung entsprechender Fragen beitragen können. Sie haben die Expertise, um realistische Versorgungsalternativen vor Ort nicht nur zu bewerten, sondern auch zu ermöglichen. In diesem Prozess sollte mit der notwendigen Sorgfalt vorgegangen werden. Es müssen neben der Abstimmung zwischen Stadt und Stadtwerken auch die Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen vor Ort aktiv eingebunden werden.

Bewältigen lassen sich die Herausforderungen der kommunalen Wärmeplanung durch ein strukturiertes Vorgehen. Das zeigen die Projekte von Trianel. Ausgangspunkt für das strategische Vorgehen der Stadtwerke-Kooperation sind Klimabilanzen. Diese werden anhand des so genannten Greenhouse Gas Protocol, einem international anerkannten Standard, erstellt und basieren auf den oft umfangreichen Umweltdaten in Stadtwerken und Städten. Es werden so schnell die stärksten CO2-Emittenten identifiziert. Oft werden dadurch Potenziale sichtbar, mit denen die Beteiligten nicht gerechnet haben.

Ein Blick auf die Klimabilanz ist also ein guter Anfang. Trianel Kunden berichten außerdem, dass allein die Darstellung der Anteile der einzelnen Aktivitäten an der Klimabilanz zu einer Anpassung der Prioritäten beiträgt und so dabei hilft, Schwerpunkte zu setzen.

Vorgehen in der strategischen Klima-Transformation

Nachdem ein klares Bild der IST-Situation – etwa in Form der Klimabilanz – geschaffen ist, erstellt die Stadtwerke-Kooperation mit ihren Kunden eine Roadmap. Das Ziel der Roadmap: Klimaneutralität. Während der Umsetzung der Projekte empfiehlt Trianel ein weiteres Monitoring, um Fortschritte aufzuzeigen und eventuell Anpassungen vornehmen zu können.

Beispiele aus der Praxis liefern die Stadtwerke Bonn und das Mönchengladbacher Versorgungsunternehmen NEW Niederrhein Energie und Wasser. Die Stadtwerke Bonn haben mit Trianel ab 2020 Daten für eine Klimabilanz erhoben. Die Analyse zeigte, dass im ÖPNV schon viel erreicht worden ist. Herausforderungen wurden etwa beim Heizkraftwerk ersichtlich. Bis 2035 soll Bonn nach einem Beschluss des Stadtrats klimaneutral werden. Für die Stadtwerke zeigt nun die Klima-Roadmap den weiteren Weg dahin auf.

Mit NEW wurden im Jahr 2022 der Status quo und die Perspektiven der Energieversorgung am Niederrhein bis 2045 analysiert. Viele Herausforderungen liegen hier vor allem im Umbau der Wärmeversorgung und der Dekarbonisierung von Industrieprozessen. Zum wichtigsten Energieträger könnte Strom aus erneuerbaren Energien werden. In der Analyse wurde eine deutliche Verschiebung von Erdgas und Erdöl hin zu Strom in der Wärmeversorgung und im Verkehr ersichtlich. Der prognostizierte Rückgang beim Erdgas entspricht den Dekarbonisierungszielen und bietet neue Chancen für die Fern- und Nahwärmenutzung. Wasserstoff wird in der Region für thermische Prozesse, den Schwerlastverkehr und als Back-up für die Stromerzeugung ab 2050 immer wichtiger. Allerdings sind hier mittelfristig nicht die CO2-Minderungspotenziale zu heben, wie sie mit dem Ausbau der Erneuerbaren und dem Umbau der Wärmeversorgung möglich sind.

Die Bedeutung einer strukturierten, strategischen Auseinandersetzung wird nicht zuletzt am Beispiel der Dekarbonisierung der Mobilitätssparte von Stadtwerken deutlich. Es handelt sich dabei um einen der wenigen Geschäftsbereiche, für den bereits klare Klimapfade vorliegen. Aus rein analytischer Sicht ist die Mobilität mit circa einem Prozent Emissionen und überschaubaren Deckungsbeiträgen zwar eher von untergeordneter Bedeutung. Gleichzeitig dominiert die Mobilitätswende aber den öffentlichen Diskurs. Der daraus resultierende gesellschaftliche Druck sorgt für Zugzwang bei den Stadtwerken. Sie müssen Antworten liefern. Und das auch dann, wenn bei einzelnen Maßnahmen der gefühlte Klimaschutz höher ist als der tatsächliche im Vergleich zu anderen Bereichen.

Ihr Ansprechpartner

Paul Jüngst, Leiter Trendscouting der Trianel GmbH

Paul Jüngst

untersucht als Leiter Trendscouting mit seinem Team aktuelle Trends, neue Geschäftsmodelle und zentrale Zukunftstechnologie aus Stadtwerke-Perspektive. Paul Jüngst ist seit 2016 als Trendscout für Stadtwerke aktiv. Bevor er zur Trianel kam, leitete der Diplom Wirtschaftsingenieur acht Jahre lang ein Start-up im Bereich der Energie- und Rohstoffwirtschaft.

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